Autoren im Zug?

Da ist sie nun, die erste Hausaufgabe. Aus verschiedenen vorgegebenen Sätzen sollten wir einen aussuchen und diesen als den ersten Satz einer Geschichte nehmen. Hier also mein Beitrag... 

 

Reise im Orient-Express

Dröhnend kam der Orient-Express auf Gleis Eins des Bahnhofs zum Stehen. Ich glaubte mich in eine andere Zeit versetzt, denn solch einen Zug hatte ich noch nie gesehen. Staunend betrachtete ich die dunkelgrün gestrichenen Waggons, die aussahen, als hätten sie eine lange Fahrt hinter sich gebracht. Die Scheiben und die Seiten des Zuges waren mit Schmutz überzogen und einige Türen hatten Löcher. Waren das etwa Einschusslöcher? Noch während ich überlege, stieß der Schornstein eine dicke Rauchwolke aus und auch unter dem Zug drang ein großer Schwall Dampf hervor, der meinen langen Rock aufbauschte und mich frösteln ließ. Hustend zog ich meine warme Daunen-Jacke enger um mich, als sich eine der Türen quietschend öffnete.

Ein kleiner, untersetzter Mann, gekleidet in einen hellbraunen Wollmantel, stieg aus und setzte dabei seinen Hut auf. Irgendwie kam er mir bekannt vor. Diese Art von Schnurrbart hatte ich schon mal gesehen, aber das konnte nicht sein, denn es war in einem Film gewesen.

Da ich die einzige Person auf dem Bahnsteig war, trat er auf mich zu. „Bonjour Mademoiselle“, grüßte er mich. Er lächelte mich an, wohl in der Hoffnung, dass ich auch Französisch sprach.

„Bonjour“, antwortete ich und lächelte vorsichtig zurück. Damit waren meine Sprachkenntnisse auch fast erschöpft.

Er war gut einen Kopf kleiner als ich, aber das schien ihm nichts auszumachen. Munter plapperte er weiter und ich verstand im wahrsten Sinne nur Bahnhof. Allerdings schien er nicht zu bemerken, dass ich ihn nicht verstand. Nur eines verstand ich klar und deutlich: Hercules Poirot! Also hatte ich doch recht, es war der Detektiv aus dem Film, aber warum? Das war doch nur eine Filmfigur. Das konnte nicht sein.

Unerwartet packte mich jemand am Arm und drehte mich zur Seite. „Seien Sie still, Poirot, Sie verschrecken die junge Dame“, knurrte eine tiefe Stimme neben mir in Englisch. „Merken Sie nicht, dass Sie kein Französisch spricht?“

Dass ich ihn aber verstand, davon ging der Mann einfach aus. Ich wand den Kopf und blickte in zwei grüne Augen. Wahnsinn, kam es mir in den Kopf. Was für eine Augenfarbe! Mir war klar, dass ich ihn anstarrte und er das auch bemerkte, denn er lächelte.

„Seien Sie ihm nicht böse, er ist harmlos“, sagte er und wollte mich wegführen, doch ich stemmte meine Füße in den Boden.

„Moment mal, was ist hier los? Irgendetwas stimmt hier nicht“, rief ich und versuchte, meinen Arm seinem festen Griff zu entwinden. „Wo kommen Sie alle her? Was ist das für ein Zug? Sie sind nicht echt, oder?“

Unverhofft blieb der großgewachsene Mann stehen, so dass ich in ihn hinein lief. „Was meinen Sie mit nicht echt? Das hier ist doch Paris, oder etwa nicht?“ Fragend schaute er sich um und erstarrte, als er die riesigen Werbeplakate am Ende des Gleises bemerkte. „Welches Jahr haben wir? Ist es das Jahr 1913, nicht wahr?“ Er trat noch näher an mich und ich bemerkte seinen herben Duft. „Antworten Sie!“

 

Ich hatte es geahnt. Kopfschütteln blickte ich ihn an. „Nein, wir sind nicht in Paris. Das hier ist Frankfurt und wir haben das Jahr 2019.“

 

Also mir gefällt ja der Anfang. Mal sehen, ob ich da weiter dran arbeiten und ein Buch oder eine Kurzgeschichte draus mache. Was meint ihr?  

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